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Moderner Staat

Die Modernisierung von Staat und Verwaltung beinhaltet strukturelle Fragen der Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung, aber auch viele weitere Themen in Bezug auf die Krisenfestigkeit und Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Hand. Neben vielen strukturellen Defiziten, die gerade in den Krisensituationen der letzten Jahre zu Tage getreten sind, fällt es der Verwaltung auch im Alltagsgeschäft immer schwerer, den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, der Unternehmen und der politisch Verantwortlichen gerecht zu werden. Nicht nur die stetig wachsende Komplexität der zu vollziehenden Gesetze geht zu Lasten der Leistungsfähigkeit und Qualität staatlicher Aufgabenerledigung, sondern auch der demografische Wandel und zunehmende Fachkräftemangel.

Leistungsfähige Verwaltung - Zukunftsfester Staat

Neben der Digitalisierung ist daher auch die Modernisierung der Verwaltung ein wichtiges Thema für den NKR und ein entscheidender Hebel zum Bürokratieabbau. Hierzu hat der NKR im Sommer 2021 ein umfangreiches Positionspapier mit zehn konkreten Empfehlungen vorgelegt. Darin hatte der NKR die zentrale Aussage formuliert, dass Politik und Verwaltung den Strukturfragen guten Regierens mehr Aufmerksamkeit widmen sollten, auch wenn diese als „dicke Bretter“ empfunden werden und kurzfristig keinen sichtbaren Erfolg versprechen. Um bis zu den strukturellen und kulturellen Wurzeln der Verwaltung zu reichen, sollten Reformbemühungen aus Sicht des NKR systemischer Natur und nicht nur punktueller Art sein. Dafür braucht es generelle Mechanismen und Anreize, die sich derart in den politisch-administrativen Alltag einschleifen, dass ein gewisser Selbstlauf erreicht und eine nachhaltige Kulturveränderung eingeleitet werden kann.

Empfehlungen des NKR für eine nachhaltige Modernisierung

Auf seine Empfehlungen zur Verwaltungsmodernisierung hat der NKR zahlreiche positive Rückmeldungen erhalten. Sie waren u. a. im Herbst 2021 auch Thema beim 12. Forum Bellevue des Bundespräsidenten zur Zukunft der Demokratie und zum Thema „Was kann der Staat? Lektionen aus der Pandemie“. Nach Ansicht des NKR sind die Empfehlungen weiterhin aktuell und gewinnen vor dem Hintergrund wachsender Unzufriedenheit mit Staat und Verwaltung an Relevanz.

Von den zehn Empfehlungen sollen an dieser Stelle zwei Schwerpunkte herausgegriffen werden, weil sie besondere Bezüge zur Verwaltungsdigitalisierung, zur Besseren Rechtsetzung und zum Bürokratieabbau aufweisen:

  • Staat als Plattform: Dieses Prinzip, das schon in der Grundlagenstudie „Stein-Hardenberg 2.0“ aus 2014 beschrieben wurde, steht für einen in der IT-Welt weithin erprobten Ansatz. Diesem Ansatz folgend würde die Frage nach der optimalen Aufgabenverteilung in einem Verwaltungsgefüge danach bewertet, wie Transaktions-, Entwicklungs- und Betriebskosten bei der Leistungserbringung um ein Vielfaches gesenkt und die Leistungsqualität erhöht werden können. Indem nicht mehr jede Behörde alle Produktionsmittel selbst vorhält und nicht mehr alle Prozessschritte selbst durchführt, können Teilprozesse und Querschnittsaufgaben „vor die Klammer“ gezogen werden. Wenn standardisierte Dienstleistungen (z. B. Einkommensprüfung) statt in jeder einzelnen Behörde in einem darauf spezialisierten, überregional oder sogar deutschlandweit tätigen Dienstleistungszentrum erledigt würden, könnten höhere Effizienzgrade erzielt werden, als dies dezentral in jeder Einzelbehörde der Fall wäre. So müsste nicht jede Behörde oder Gebietskörperschaft eigene Strukturen, Verfahren und Betriebsmittel für alle anfallenden Aufgaben vorhalten. Diese Fragestellungen spielen bei der Neuausrichtung des OZG genauso eine Rolle, wie beider Beurteilung der Praxis- und Digitaltauglichkeit von Gesetzen und Suche nach der bürokratieärmsten Umsetzungsalternative.
  • Audits, Stresstests, Leistungsvergleiche, Stiftung Verwaltungstest: Nur was gemessen wird, kann vernünftig gesteuert werden. Um die Leistungs- und Krisenfestigkeit einer Behörde, Gebietskörperschaft oder eines ganzen Landes zu ermitteln, um Verbesserungsnotwendigkeiten identifizieren und Veränderungen im Zeitverlauf erkennen zu können, stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Je nach Abstufung können Audits und Stresstests rein intern genutzt werden, sie können in Kombination mit öffentlichen Leistungsvergleichen, aber auch einem gewissen Wettbewerb dienen und der Politik wertvolle Steuerungsinformationen bieten. In dieser Weise steht auch die Idee einer Stiftung Verwaltungstest für die Erkenntnis, dass gewisse Anreizstrukturen hilfreich sein könnten, um in Politik und Gesellschaft Bewusstsein und Willen zu stärken, ausreichend Aufmerksamkeit, politisches Kapital und Ressourcen in staatliche Modernisierungsmaßnahmen zu investieren. Im Rahmen der Neuausrichtung des OZG sollte die Überarbeitung des OZG-Dashboards zu einem Vergleichswerkzeug vorgenommen werden, das den Stand der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland aktuell und valide abbildet.

Dem NKR ist bewusst, dass der Bereich der Verwaltungsmodernisierung eine Vielzahl weiterer Themen beinhaltet und auf den verschiedenen Verwaltungsebenen ganz unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden (müssen). Ins besondere die Personalgewinnung, -entwicklung und -vergütung stellen in Zeiten des demografischen Wandels große Herausforderungen dar. Hinzu tritt das weite Feld der Planungs- und Genehmigungsverfahren, deren bürokratischer Belastungsgrad entscheidend von guten Managementpraktiken vor Ort abhängt, in erheblicher Weise aber auch durch materiell-rechtliche Anforderungen aus Bundes- und Europarecht bestimmt wird. Genau an diesen rechtlichen und organisatorischen Schnittstellen in einem staatlichen Mehrebenensystem gilt es anzusetzen. Der NKR sieht hier einen Schwerpunkt seiner Arbeit, den er in Zukunft stärker ausleuchten will.