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Rechtsqualität erhöhen

Die Art und Weise, wie Gesetze heute gemacht werden, ist oft nicht mehr zeitgemäß. Gesetzestexte werden im Eilverfahren bis ins letzte Detail ausformuliert, bevor überhaupt darüber nachgedacht wurde, wie das eigentliche Ziel des Gesetzes am besten erreicht werden kann. Dabei sind Fragen der Praxistauglichkeit und Nutzerorientierung die wichtigsten Grundpfeiler der Besseren Rechtsetzung.
Das notwendige Wissen, wie Regeln in der Praxis wirken, welche Abhängigkeiten es zu anderen Vorgaben, zu praktischen Vollzugsfragen und technischen Möglichkeiten gibt, ist bei den Betroffenen vorhanden. Es möglichst frühzeitig in den Gesetzesvorbereitungsprozess einzubeziehen ist die eigentliche Herausforderung. Denn der Gesetzgebungs- und in den Ministerien vorgelagerte Gesetzesvorbereitungsprozess wird von vielen Faktoren und Zwängen bestimmt. Immer häufiger – und auch jenseits kurzfristiger Krisengesetzgebung – sind Rechtsetzungsverfahren durch große Eile geprägt.

Beteiligungsfristen

Die in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgehaltenen Fristen zur Beteiligung anderer Ressorts werden viel zu oft nicht eingehalten. Für die Einbindung Betroffener und von Verbänden, Ländern und Kommunen bestehen nicht einmal formale Fristen. Es erstaunt insofern nicht, dass eine solche Beteiligung von den federführenden Bundesministerien häufig als rein formaler Akt behandelt wird, ohne ernsthafte Bestrebung, im Sinne einer echten Alternativenprüfung und Evidenzbasierung auf Vollzugsfragen einzugehen.
Der Umgang mit Beteiligungsfristen ist für die Frage, wie Qualität und Praxistauglichkeit von Gesetzen verbessert werden können, von fundamentaler Bedeutung. Ohne ausreichende Fristen sind weder Praxis- noch Digitalcheck möglich und können Wirksamkeit und Kostenfolgen unterschiedlicher Regelungsalternativen nur sehr begrenzt beurteilt werden. Damit wird die Fristenfrage zu einer zentralen Frage guter Gesetzgebung.

Erst der Inhalt, dann die Paragrafen

Die negativen Folgen mangelhafter und zeitlich zu knapp bemessener Beteiligungsverfahren für die Qualität der Gesetzgebung, d. h. auf die Adressatengerechtigkeit und Praxistauglichkeit rechtlicher Vorgaben wurden im NKR-Gutachten „Erst der Inhalt, dann die Paragrafen“ ausführlich untersucht. Die Empfehlungen für ein viel stärker auf Praxisbeteiligung und Lösungsoffenheit ausgerichtetes Gesetzgebungsverfahren wurden in einem Praxisprojekt erprobt und bestätigt.
Seither hat sich auch das Projekt „Re-Design der ministeriellen Gesetzesvorbereitung“ von Work4Germany vertieft mit diesen Fragen beschäftigt und auf ähnliche Weise für eine Reform der Gesetzesvorbereitung votiert. Gemeinsames Anliegen dieser Reformansätze ist es, die Gesetzgebungsexperten in den Ministerien mit Wissensträgern aus der Praxis, mit Betroffenen, mit IT-Experten und Wissenschaftlern zusammenzubringen. In Gesetzgebungslaboren sollen interdisziplinäre Teams auf Basis visualisierter Wirk- und Prozessmodelle die intendierten und nichtintendierten Folgen unterschiedlicher Regelungsvarianten bewerten und geeignete Lösungswege aufzeigen.

Praxischecks

Dass ein intensiver Austausch mit der Praxis zu wirksameren, effizienteren Regeln und besseren Politikergebnissen führt, zeigt ein Pilotprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Im Rahmen eines Praxischecks wurden im direkten und vollzugsorientierten Austausch mit den Gesetzesadressaten rechtliche Hürden für die stärkere Nutzung von Photovoltaikanlagen auf Dächern des Einzelhandels untersucht. Der Praxischeck wurde hier unabhängig von einem laufenden Gesetzgebungsvorhaben durchgeführt und war insofern nicht durch zeitliche oder akute politische Zwänge beeinträchtigt. Im Ergebnis zeigt der Praxischeck sehr klare und einfach umzusetzenden Rechtsanpassungsbedarfe auf. Teile davon haben bereits den Weg in Gesetzesnovellen gefunden. Der NKR selbst hat mit seinem Projekt „Digitale Abwicklung von Immobilienkaufverträgen“ bereits 2019 einen solchen Praxischeck durch- und vorgeführt.